Was ist ein Ziviltechniker?

Der Stand der Ziviltechniker wurde 1860 mit dem Ziel eingerichtet, Aufgaben der staatlichen bzw. öffentlichen Verwaltung, die von Privatunternehmern effizienter und wohl auch besser erfüllt werden können, an solche zu delegieren. Dies betrifft vor allem Planungen und Beurkundungen; von Ziviltechnikern mit Rundsiegel bestätigte Urkunden (auch Pläne) gelten auch vor Ämtern und ähnlichen Dienststellen a priori als richtig (ebenso wie amtliche Urkunden), es sei denn, das Gegenteil wird nachgewiesen.

Die Ausübung des Berufs eines Ziviltechnikers ist nach Absolvierung eines einschlägigen Universitätsstudiums und entsprechenden Praxisjahren an eine staatlich verliehene Befugnis und die Ablegung eines Eides gebunden. Die freiberuflichen Ziviltechniker sind auf dem Gebiet der Technik eine Mischung aus Rechtsanwalt und Notar. Wie beim Rechtsanwalt ist der Ziviltechniker ausschließlich seinem Auftraggeber und den Gesetzen verpflichtet; wie der Notar gilt er als öffentliche Urkundsperson. Er muss seine Befugnis persönlich ausüben (darf aber natürlich Personal beschäftigen) und haftet persönlich für seine Leistungen. Er ist diesbezüglich durch eine verpflichtende Berufs-Haftpflichtversicherung geschützt. Seit einigen Jahren dürfen auch GmbHs von Ziviltechnikern gebildet werden.

Ziviltechniker können Architekten oder Ingenieurkonsulenten sein. Aus früheren Jahren gibt es auch noch die Befugnis des Zivilingenieurs; wegen der nicht so ausgeprägt geregelten Unabhängigkeit dieser Befugnisträger (sie dürfen zum Beispiel auch bei Privatfirmen angestellt sein und trotzdem ihre Befugnis ausüben), wurde diese Befugnis abgeschafft und wird derzeit nur noch von Befugnisträgern, die sie nicht in die eines Ingenieurkonsulenten umgewandelt haben, ausgeübt; "neue" Zivilingeneure wird es nicht mehr geben.

Ziviltechniker sind Mitglieder einer eigens für sie zuständigen Kammer, in meinem Fall der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland http://www.arching.at/wien, 1040 Wien, Karlsgasse 9. Den Länderkammern übergeordnet ist die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (BAIK) http://www.arching.at.

Die Leistungen der Ziviltechniker werden gemäß Honorarleitlinien (früher Honorarordnungen, noch früher Gebührenordnungen genannt) abgegolten. Die Gebührenordnungen waren ursprünglich (und jahrzehntelang) in dem Sinn verbindlich, dass Unterschreitungen unzulässig waren und als Disziplinarvergehen galten. Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hob jedoch 1990 die generelle Verbindlichkeit auf; trotzdem werden die Honorarleitlinien als Grundlage der Honorarermittlung angewendet, wenn auch bei Unterschreitung keine disziplinäre Verfolgung mehr möglich ist.

Der "Allgemeine Teil" der Honorarleitlinien sieht einen Basis-Stundensatz (sogenannter Basiswert) von (im Jahre 2004) rund € 62,-- vor. Allerdings wird (seit 2002) nach Leistungskategorien unterschieden, in denen sich der Schwierigkeitsgrad der Leistung ausdrückt und damit auch die Qualifikation der für die Erbringung der Leistung einzusetzenden Personen (Mitarbeiter, Ziviltechniker persönlich, ...), aber auch die damit verbundene technische und kommerzielle Verantwortung. Dies wird durch die folgende Tabelle ausgedrückt:

  Leistungskategorien Stundentarif in €
A Konzeptive und strategische Aufgaben, Senior Experts, Experts 120 - 150
B Technische und wirtschaftliche Aufgaben, Experts, Junior Experts 90 - 120
C Administrative Aufgaben 60 - 90

Ein Großteil der dem Ziviltechniker zustehenden Leistungen, wie insbesondere Planungen und Projektierungen, wird jedoch nach "Besonderen Teilen" honoriert, in denen das Honorar, auf Teilleistungen aufgeschlüsselt, vom Wert des Werks (des Projekts), allenfalls des Streitwerts abhängt.

Seit 1991 gibt es auch eine Autonome Honorarrichtlinie, mit der, ähnlich wie etwa bei den Rechtsanwälten, die Gebühren mit steigendem Wert der Sache (des Projekts, der geprüften Anlage, ...) ebenfalls steigen. Auch die AHR ist nicht verbindlich, wurde aber bereits 1992 durch eine obergerichtliche Entscheidung für die gerichtliche Sachverständigentätigkeit bestätigt, womit auch die Anwendbarkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben naheliegt.

Inzwischen wurde jedoch (in Anpassung an EU-Regeln) auch die AHR üngültig und ist nur mehr in Honorarverhandlungen als Grundlage verwendbar.

Ziviltechniker sind nicht ausführend (sie bauen selbst keine Häuser oder elektrische Anlagen), dadurch aber als unabhängige, von Eigeninteressen freie Planer und Gutachter prädestiniert. Wie in jedem Geschäft wird nicht aus jedem Vorgespräch auch ein Auftrag: eine erste Kontaktnahme mit einem Ziviltechniker bzw. Erörterung mit ihm, wo der Schuh drückt, ist in der Regel kostenlos. Viele Fälle bestätigen die Erfahrung, dass eine frühzeitige Befassung eines Ziviltechnikers mit einem geplanten Projekt oder auch mit der Frage, ob etwa ein Rechtsstreit mit einer ausführenden Firma riskiert werden soll, auf lange Sicht viel Geld ersparen kann.

Wenn Sie ein technisch/kaufmännisches Problem haben, wenden Sie sich daher ohne Scheu an einen Ziviltechniker Ihrer Wahl. Auskünfte gibt Ihnen auch die Kammer (Bundeskammer http://www.arching.at bzw. zuständige Länderkammer) der Architekten und Ingenieurkonsulenten. Die Bundeskammer hat ihren Sitz in Wien, die Länderkammern haben Sitze in Wien, Graz, Linz und Innsbruck.